Senioren in Monheim  -  Vergessene Generation? Wird zu wenig darüber gesprochen? Nachbetrachtungen zum Neujahrsempfang des BAB. Von Helmut Heymann

Senioren in Monheim  -  Vergessene Generation? Wird zu wenig darüber gesprochen? Nachbetrachtungen zum Neujahrsempfang des BAB. Von Helmut Heymann

Liebe Betroffene der älteren Generation, liebe Vertreter der jüngeren Generation,

im meiner diesjährigen Neujahrsrede im Bürgerhaus Baumberg habe ich eine ganze Reihe von Themen angesprochen, aber keines hat mehr elektrisiert und emotionalisiert als das, was ich zur Lage der Senioren in Monheim gesagt habe. Aber, was habe ich eigentlich gesagt? Im Grunde genommen nur sehr wenig:

  • Im Gegensatz zu anderen Zielgruppen werden die Senioren im diesjährigen Grußwort des Bürgermeisters zu Jahresbeginn nicht angesprochen.
  • Gebeten habe ich Daniel Zimmermann: „Vergessen Sie die Älteren nicht.“
  • Gefragt habe ich: „Gibt es spezielle Projekte für ältere Menschen?“
  • Folgende Aussage habe ich gemacht: Es gibt keine effiziente  ‚Bündelung‘ der zweifelsohne vorhandenen Kompetenzen auf diesem Gebiet
  • Festgestellt habe ich: Der Seniorenbeirat erfüllt seine Aufgaben nicht.
  • Gesagt habe ich: Der Rat der Stadt Monheim beschäftigt sich kaum mit dem Thema der Senioren.

Mehr nicht! Sie können meine Ansprache auf der BAB Homepage  www.baumberger -allgemeiner-buergerverein.de  unter dem Übertitel „BAB/Aktuelles auf dem BAB“ nachlesen.

Ich denke, die meisten meiner Aussagen kann man leicht nachvollziehen. Dennoch war ich überrascht über die Intensität der Rückäußerungen, die mich danach erreichten. Eine ganze Reihe von Menschen riefen bei mir an, ich erhielt auch relativ viele Mails. Darüberhinaus gab es Leserbriefe in der örtlichen Presse. Die meisten gaben mir Recht. Einige, die das anfangs anders sahen, riefen später an und sagten: „Ich habe über alles nochmals nachgedacht und muß jetzt sagen, Du/Sie  hast/haben Recht. Das stimmt.“ Scheinbar habe ich, von mir gar nicht so gewollt, in ein „Wespennest“ gestochen. Zwischenzeitlich haben mich auch einige Seniorenorganisationen angesprochen und mit mir das Thema diskutiert. Für manchen ist es gar bezeichnend für die Situation, dass es eine „Seniorenorganisation“  gibt, die den Titel „Ü 30“ trägt. Letztes Beispiel für die Diskussion ist ein längeres Mail, das mich in Kopie erreichte: „Der von Helmut Heymann doch sehr liebenswürdig vorgetragene Satz: ‚…, aber bitte vergessen Sie die Älteren nicht!‘ entspricht mit Sicherheit der Meinung einer großen Schar der betroffenen Generation. Aus der ‚Hauptstadt des Kindes‘ wird in einigen Jahren aufgrund des demographischen Wandels eine ‚Seniorenhauptstadt‘ werden müssen.“ Genug der Äußerungen, die mich nach dem Neujahrsempfang erreichten, aber es waren noch viele mehr.

Danach habe ich mich darum bemüht, faktengestützte Antworten darauf zu suchen, ob wir hier in Monheim mit dem Thema ein Problem haben oder nicht. Sind die Senioren im Monheim wirklich die vergessene  Generation? Werden die Senioren von einer jugendlich geprägten, denkenden und handelnden Kultur in ihrer Bedeutung für die Stadt Monheim nicht erkannt? Oder aber: Handelt es sich hierbei um ein Wahrnehmungsproblem? Ist eigentlich alles in Ordnung, außer das man darüber zu wenig spricht, diskutiert und kommuniziert?

Überall in Deutschland diskutiert man das Phänomen der Altersarmut. Nicht so in Monheim. Ich kann mich nicht an eine öffentliche Diskussion erinnern und habe auch keinen Presseartikel im Kopf, wo das Thema für Monheim aufgegriffen wurde. Warum nicht? Gibt es so etwas bei uns in Monheim nicht?

Ich kann diese Fragen auch nicht alle abschließend beantworten. Ich verfüge einfach nicht über die entsprechenden Daten und Fakten. Aber schauen wir uns doch einmal einige Passagen des gerade erschienen statistischen Überblicks der Stadt Monheim an. Er trägt den Titel „Zahlen, Daten, Fakten 2012“.  Beginnen wir allerdings mit einer Zehnjahresübersicht der Altersgruppen in Monheim, die mir  die Stadt zur Verfügung gestellt hat.

  • Betrachtet man die Altersstruktur in Monheim zwischen 2003 und 2012, so fällt auf: Wir sehen hier einen Anstieg der über 65jährigen von rund 16% auf etwa 23%, entsprechend, wenn auch etwas geringer, gehen die Zahlen für die unter 16jährigen zurück. Eine Welt verschiebt sich! Rechnet man hoch auf das Jahr 2030, so sind die Ergebnisse dramatisch: Der Anteil der über 60jährigen wird dann irgendwo bei 50% der Monheimer Bevölkerung liegen. Und irgendwie habe ich das Gefühl: Keiner denkt so richtig darüber nach. Keiner will es merken.
  • Nun zum statistischen Jahresbericht, der sicherlich informativ und interessant ist. So lese ich auf Seite 16 einige Sätze, die im Zusammenhang mit unserem Thema stehen. Konkret geht es um die Lebenserwartung der Menschen in Monheim.  „In Monheim verschiebt sich in den letzten 10 Jahren der Anteil der Todesfälle in höherem Alter deutlich zugunsten der jüngeren Altersklasse.“  Interessant ist, dass das „höhere Alter“ mit „über 70 Jahren“ und die jüngere Altersklasse mit „50 bis 70“ definiert ist.  Was ist aber nach Ansicht des statistischen Überblick denn die Ursache? Ebenfalls auf Seite 16 findet man die Antwort. „Die hohe Zahl von Sterbefällen der über 80jährigen ist dabei auch auf die verschiedenen Seniorenpflegeeinrichtungen zurückzuführen.“ Das alles ist für den Bürger schwer nachzuvollziehen. Lasst uns doch dankbar sein, dass wir in Monheim so viele qualitativ gute Pflegeeinrichtungen haben und sie nicht mitverantwortlich dafür zu machen, dass die Sterbehäufigkeit der über 80jährigen hoch ist. Nein, leider hilft uns das bei der Analyse der Situation der Senioren in Monheim nicht weiter!
  • Gehen wir doch einmal auf Seite 20 dieses städtischen Berichtes. Hier lautet die Überschrift: „… der Anteil hochbetagter Menschen steigt?“ Hier steht ein Fragezeichen. „Warum“  ist vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in den letzten 10 Jahren überhaupt nicht zu versehen. Die Zahlen zeigen einen eindeutigen Anstieg!
  • Der Statistik-Bericht 2012 macht keine sinnvolle Aussage zu der Situation der Senioren in Monheim. Ganz anders wird über die Zielgruppe der Jüngeren berichtet. Seite 34 berichtet unter der Überschrift „… 11% der unter 3-Jährigen eine KiTa besuchen?“ ausführlich über die Betreuungsangebote, die Anzahl der KiTa-Plätze und der dort Beschäftigten  und das über die letzten 5 Jahre und differenziert nach unterschiedlichen Altersgruppen. Sehr gut!  Auf der folgenden Seite (35) findet man die Überschrift „…fast 15 Schüler auf einen Lehrer kommen?“ Hier werden die Schulabschlüsse nach Geschlecht und Schulform über die letzten beiden Jahre dargestellt. „Die Schüler-Lehrer-Proportionen in Monheim am Rhein ist sehr gut.“  Warum geht man in diesem Bericht nicht auch auf die vorhandenen Betreuungsangebote für Senioren ein? Warum kein Wort zu den Bildungsangeboten für und deren Inanspruchnahme durch Senioren?  Hierauf finde ich keine Antworten. Aber „keine Antwort“ ist „auch eine Antwort“. Es scheint nicht zu interessieren.

Fazit: Die Jahresstatisktik der Stadt Monheim enthält viele Zahlen und Fakten. Zu den Senioren und deren Lage findet man keine ausreichenden und sinnvollen Aussagen.

Also habe ich die Zahl der Senioren versucht zu ermitteln, die zusätzlich zu ihrer Rente finanzielle Zuwendungen erhalten. Die Zahl war für mich offiziell nicht zu besorgen. Aus gut unterrichteten Quellen weiß ich jedoch, dass diese Zahl irgendwo um 6oo Personen liegt. Natürlich haben wir hier eine hohe Dunkelziffer. Viele wenden  sich aus Schamgefühlen nicht an die öffentliche Hand. Geschätzt liegt die Zahl daher wohl um die 1000 Personen. Damit ist auch die Altersarmut Realität in Monheim, auch wenn keiner darüber redet. Denken wir nur an die Frauen, die selbst nicht gearbeitet haben, weil sie sich um die Erziehung der Kinder gekümmert haben und jetzt von 60% der Rente ihres verstorbenen Ehemannes leben müssen. Und das bei steigenden Mieten und generell höheren Preisen für die allgemeine Lebenshaltung. Oder ein anderes Beispiel: Der BAB hat einen Jahresbeitrag von 1 Euro pro Monat. Fast monatlich habe ich ein Gespräch, dass Manche den Jahresbeitrag von 12 Euro nicht zahlen können und daher nach einer finanziellen Freistellung fragen, weil sie dem BAB weiter verbunden sein möchten. Auch 12 Euro können viel Geld sein.

Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten möchte ich nun einmal den Versuch wagen, Thesen abzuleiten. Natürlich sind diese Thesen subjektiver Natur und bedürfen der weiteren Überprüfung. Im einzelnen:

 

1. In Monheim hat sich in den letzten Jahren eine jugendlich geprägte, denkende und handelnde Kultur und Mentalität entwickelt.

2. Dies zeigt sich in vielen Aktivitäten und Themen der Stadt. Hierüber wird auch ausführlich informiert , auch von der örtlichen Presse dankbar aufgegriffen. Vieles hiervon ist mehr als sinnvoll.

3. In 10 bis 15 Jahren allerdings wird die Hälfte der Monheimer Bevölkerung bereits über 60 Jahre alt sein. Aus der „Hauptstadt der Kinder“ hat sich dann, biologisch normal, die „Hauptstadt der Senioren“ entwickelt.

4. Ob wir wollen oder nicht, das Thema der Senioren muß stärker in den Mittelpunkt der Wahrnehmung und der allgemeinen Sensibilisierung rücken. Was wir brauchen, ist eine „ausgewogene“ Balance zwischen Jung und Alt. Wir müssen uns ganz ohne Zweifel  intensiver mit der demographischen Entwicklung und deren Folgen in  unserer Stadt interessieren und beschäftigen.

5. Anfangen können wir damit durch

  • die Erstellung eines Überblicks über alle Leistungen und Angebote für Senioren. Eine derartige Broschüre, so wurde mir von einigen Personen erzählt, hat es vor Jahren schon einmal gegeben. Diese scheint aber vergriffen zu sein und wurde wohl nicht wieder neu aufgelegt. Darüber hinaus kann man natürlich auch das Internet dazu nutzen  „Plattform für Senioren“.
  •  die Aufbereitung und Veröffentlichung entsprechender Daten und Fakten zur Altersarmut in Monheim. Ein erster einfacher Schritt wäre die Erweiterung und den Einbezug der Senioren in den statistischen Jahresüberblick.
  • die stärkere Sensibilisierung des Rates der Stadt Monheim.  Einmal im Jahr diskutieren die Ratsmitglieder die Lage der Senioren in Monheim. Natürlich müsste das vorbereitet werden.
  • die Nutzung des anstehenden neuen Mehrgenerationenausschuss. Hier brauchen wir eine klare Aufgabenbeschreibung, in der die Balance zwischen Jüngeren und Älteren eine wesentliche Rolle spielt.
  • die Bündelung aller Kompetenzen zu dem Seniorenthema in der Stadt Monheim.
  • die Ausrichtung aller Aktionen zur Unterstützung Bedürftiger auf das alleinige Kriterium der finanziellen Bedürftigkeit und nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Zielgruppe. Beispiele: Aktionen wie der  lobenswerte  Verkauf von Weihnachtssternen für 15 Euro durch das Jugendamt für Weihnachtsgeschenke an bedürftige Kinder ausdehnen auf bedürftige Senioren in Pflegeeinrichtungen. Oder: Mehr Möglichkeiten für Bedürftige in allen Zielgruppen, auch der Senioren, zur unentgeltlichen Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen der Stadt oder von Vereinen  schaffen.
  • die Integration des Themas der Senioren in die übergeordnete Inklusionsdiskussion  und die Schaffung einer „Inklusions-Stelle“ im Rathaus als Anker und Ideengenerator.
  • die Erfassung der Bedarfs-Kategorien von Senioren in 10 Jahren und die Gegenüberstellung, was wir heute schon haben. Beispiele: Wieviel Pflegeplätze brauchen wir in Monheim im Jahre 2025 und wieviele haben wir heute schon? Wie wird sich die Zahl der Demenzfälle in den nächsten 10 Jahren in Monheim entwickeln? Sind wir darauf eingestellt? Wie wird sich der höhere Anteil der Senioren auf das Wohnverhalten auswirken?

So, genug der Worte. Meine Nachbetrachtungen zum BAB-Neujahrsempfang sollen anregen, weiter über das Thema nachzudenken, es weiterzuentwickeln oder schlicht nur zu ergänzen. Oder aber auch   kontroverse und andersdenkende Überlegungen anzustellen. Sollen Sie Anregungen oder Kommentare hierzu haben, schreiben Sie mir ruhig ein Mail  Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder rufen mich direkt an  unter „02173/61922).

Letzter Punkt: Ab sofort arbeite ich in einer von Michael Schlemminger-Fichtler geleiteten Arbeitsgruppe zum demographischen Wandel in Monheim mit. Diese Arbeitsgruppe ist Teil des Inklusionskonzepts in Monheim.

Helmut Heymann

Vorsitzender  BAB